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Donnerstag, 2. Februar 2012

Vom GLÜCK, (k)ein Bestsellerautor zu sein...

Ich sitze vor meinem Computer und starre auf eine leere WORD-Datei. Obwohl ich sie seit geraumer Zeit fixiere wie die Schlange das Kaninchen, will sich das Dokument partout nicht mit Text füllen. Dabei sitzt mir der Kunde – und der Textabgabetermin – wie ein Dämon im Nacken. Ich soll einen schönen Werbetext für ein neues Kehrblasgerät verfassen. Aber diese gigantische Schneeräummaschine scheint alle Worte aus meinem Kopf weggeblasen zu haben. Mein Gehirn ist so leer wie eine vom Schnee befreite Flughafen-Landebahn.

Während ich das Wort »Headline« in mein Dokument tippe und hoffe, dass mir in absehbarer Zeit eine Schlagzeile einfallen wird, schweifen meine Gedanken in den Himmel wie das Flugzeug, das gerade über den Tübinger Winterhimmel fliegt...

»Wie wunderbar wäre es doch, eine Bestsellerautorin zu sein«, denke ich seufzend. Dann säße ich jetzt nicht da und ränge nach Kehrblas-Worten. Stattdessen würde ich glücklich, zufrieden und ohne jeden Stress an einem weißen Strand liegen. Ich sehe ihn genau vor mir: Die von eisigem Schnee bedeckten Felder, auf die ich von meinem Arbeitsplatz aus blicke, verwandeln sich plötzlich in einen feinsandigen weißen Malediven-Strand. Genau dort würde ich als Bestsellerautorin liegen, aufs türkisfarbene Meer hinausschauen und einen »Sex-on-the-Beach«-Drink schlürfen. Meine einzigen »Sorgen« bestünden darin, mir zu überlegen, welchen der frisch gefangenen Fische ich mittags verspeisen, welchen Wein ich dazu trinken, welches meiner traumhaft schönen Kleider ich zum Lunch anziehen und welche Vergnügungen ich mir am Nachmittag und Abend gönnen werde.

Während ich so vor mich hin sinniere, löst sich das Kehrblasgerät und meine Bereitschaft, es zu betexten, in Luft auf. Ich will jetzt einfach träumen – und keinen Schnee wegräumen! Ich will mir vorstellen, wie jeder mich als Bestsellerautorin bewundern würde. Verlage würden sich die Klinke in die Hand geben, um sich mir anzudienen. Die Summen, die man mir als Vorschuss für meinen nächsten Roman anbieten würde, hätten sechs Stellen vor dem Komma. Ich wäre berühmt und reich. Ich bekäme körbeweise Fanpost und Talkshows würden sich um mich reißen und mich als die Frau, die wirklich FORTÜNE im Leben hat, anpreisen.

Und dann käme plötzlich der Abgabetermin für meinen nächsten Erfolgsroman. Ich würde wie heute vor meinem WORD-Dokument sitzen und schwitzen. Meine Kopf wäre wie leergefegt, und ich würde mir vorstellen, wie schön es jetzt wäre, wenn ich NUR einen Werbetext schreiben müsste. Wenn ich nicht Angst haben müsste, dass mich Kritiker oder die Presse verreißen, falls mein nächster Roman nicht so toll ist wie erwartet. Wenn mich nicht die Sorge quälen würde, dass mein Anlageberater meine Honorare womöglich dazu benutzt, sich selbst die Taschen voll zu scheffeln. Wenn ich mir sicher sein könnte, wirkliche Freunde zu haben und nicht nur solche, die mich hofieren, weil ich berühmt bin. Wenn ich einfach nur meinen Job machen dürfte, ohne berühmt und allseits beobachtet zu sein. Wenn ich also wieder so leben könnte wie damals, als ich noch Werbetexterin war und ich noch das Glück hatte, keine Bestsellerautorin zu sein.

Aber ehrlich gesagt: Ich wüsste schon gerne, wie es so wäre, reich, berühmt und von Verlagen wie ein Star behandelt zu werden! Wenn einer von euch da draußen das Geheimrezept kennt, dann lade ich ihn auch garantiert zum Cappuccino ein...

In diesem Sinne wünscht euch viel Fortüne

Eure Ingrid 

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